Unser Redebeitrag zum Dyke March 20.08.22

CN: im folgendem Beitrag geht es um queerfeindliche Beleidigungen, vor allem das Wort „Kampflesbe“

     
Wer von euch wurde schonmal als „Kampflesbe“ bezeichnet?

Wer hat mitbekommen, wie Freund_innen von euch so bezeichnet wurden?

Ich habe das auf alle Fälle schon erlebt. Und der Auslöser: häufig weiblich gelesene Personen, die nicht den Erwartungen von cis Männern entsprechen. Sie haben kurze Haare, ihr Stil is tomboyish, sie geben keinen Fick auf Höflichkeit oder wagen es was dagegen zu sagen, wenn sie gecatcalled werden, oder anderen Sexismus nicht einfach hinzunehmen. Ugh, wie unattraktiv.

Es ist immer wieder spannend, wie doll hetero cis endo Männer nicht darauf klar kommen, dass Menschen nicht ausschließlich auf sie stehen. Vor allem, wenn es Personen sind, die sie als weiblich lesen, aber die Gender Performance irgendwie zu wünschen übrig lässt. Ich hab aber durchaus auch schon mitbekommen, wie straighte cis Frauen andere so bezeichnen.

Das trifft natürlich nicht nur lesbische cis Frauen, sonder auch oft genderqueere Menschen,Menschen Prä und Post Transition, die die mitten in ihrer Transition sind, die genderqueer sind, Gender Non-Conforming, Nicht-Binär…kurzgesagt: Menschen, die die festgelegten Rahmen von Geschlechtern sprengen.
Wir sind häufig einfach ein bisschen zu komisch.

WikiMANNia (eine super abgeschwurbelte Antifeministische Seite, dont look it up) zitiert zu dem Thema folgendes:
    «Die Kampflesbe hasst Männer, weil die Mehrheit der Frauen keine erotischen Beziehungen mit lesbischen Frauen haben wollen, sondern lieber mit einem Mann.
Und die Kampflesbe stört sich auch an intakten Familien, weil sie niemals eine solche haben wird. Es ist eine Mischung aus Herrschsucht, Sozialneid und Eitelkeit, die Kampflesben und Feministinnen vorantreiben. Über die nicht lesbischen Feministinnen lässt sich sagen, dass es entweder verhetzte oder neurotische Frauen sind, die immer auf der Suche nach einem Opfer sind, dem sie die Schuld an ihrer eigenen Lebens­situation geben können. Lebens­untüchtige Frauen sind nie bereit für ihre eigenen Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen, sondern sie laden ihre Wut über ihre Lebens­situation immer an anderen ab.»[3]

Aha, wir sind also neurotisch, neidisch, herrschsüchtig und irgendwie sehr horny auf straighte Frauen, die nicht auf uns stehen. Also, letzteres passiert bestimmt manchmal…oder öfter, aber was diese Antifeministen nicht checken:
Ja, wir sind unzufrieden! Wir sind unzufrieden damit, sexistisch, transfeindlich, queerfeindlich und rassistisch behandelt zu werden. Wir sind unzufrieden mit einer Gesellschaft die unsere Existenz gerade erst begreift, und das auch nur in Teilen. Wir sind unzufrieden mit so Horsts, Björns und Christians, die schon genau wissen wie und was wir zu begehren haben.

Nein, wir sind nicht neidisch auf eure heile Kleinfamilie! Okay, manchmal schon, aber weil ihr diese meistens gründen könnt, ohne Outing, ohne Belästigung beim Händchen halten, ohne Kampf um Anerkennung unserer Ehen, ohne generelles Misstrauen wenn wir Eltern werden wollen oder sind.
Aber wenn wir uns die Kleinfamilie mal genauer anschauen, dann leiden wir doch eher alle auf die ein oder andere Weise an ihr. Die heterosexuelle Kleinfamilienstruktur ist nicht mehr als ein Überbleibsel eines patriarchalen römischen Rechts. Sozialarbeiter_innen, Jugendämter, Therapeut_innen sind täglich mit der Realität der Tragödie der Kleinfamilie beschäftigt.

Und für eben diese brüchige Kleinfamilienstruktur, ist die Existenz von lesbischen Menschen besonders verheerend.

Sie zeigt Menschen auf, dass es auch anders gehen kann, dass es andere Optionen gibt. Das ist beängstigend, einschüchtern…auf einmal hat Mensch eine Wahl.

Seidman umreißt auch eine dreifache Gefahr, die Lesben für die heteronormative patriarchale Ordnung darstellen: „[Als] wahrgenommene Gefährdung der männlichen Dominanz, der konventionellen dichotomen [also binären] Geschlechterordnung und der Norm der heterosexuellen Familie,welche von der häuslichen Arbeit der Frauen abhängt, ist die Lesbe eine wirklich bedrohliche Figur“. Im englischen Original heißt es „a truly menacing figure“.
Vielleicht geht es euch auch so, aber manchmal genießen wir es wirklich bedrohliche Figuren zu sein! Wir gehen gerade zu darin auf, aufzufallen, rauszufallen, aufzubrechen und drehen uns den Spaß hier, wie es uns so passt.
Wir sagen: der Versuch uns mit dem Begriff „Kampflesbe“ zu beleidigen und abzuwerten, geht voll nach hinten los. Wir sagen: Total geil der Gesellschaft ihre eigenen inhärenten Denkfehler so plakativ vorzuführen.
Unser fazit: Kampflesbe sein – voll nice!

Gegenüber von „Kampflesbe“ steht in der Gesellschaft häufig eine fetischisierung von lesbisch sein – oder viel eher lesbischer Sexualität. Übergriffe wie: Darf ich mitmachen? Bock auf 1 dreier? kennen fast alle lesbisch wahrgenommenen Menschen/ Paare/ Beziehungen, die es wagen in der Öffentlichkeit irgendeine Art von körperlicher Nähe zu zeigen.
Zwischen Fetischisierung und Hate zu navigieren und dabei auch noch Zuschreibungen wie „Kampflesbe“ zu reclaimen, ist nicht immer einfach.

Und manchmal, fühlt sich das auch nicht nur nach empowernden Entscheidungen an, sondern nach sehr viel Angst, Wut und Tränen.
Wir hoffen aber, dass wir heute hier einen Raum haben, in denen wir als Lesben, Dykes, bisexuelle, pansexuelle, queere Wesen, einfach nur wir sein können.

Außerdem wollen wir hier natürlich keine Femme Erasure betreiben! Femmes und themmes, wir sehen euch! Oft sind Menschen, die queer sind aber eine eher feminine Gender Performance haben fast noch verwirrender für die Heten. „Wie hä, ich finde dich hot, aber du mich nicht? So gar nicht?“ Häufig werden queere feminine Personen nicht für voll genommen, fetischisiert, ihre queerness abgesprochen. Diese Mysogynie ist nicht nur gesamtgesellschaftlich zu finden, sondern häufig auch internalisiert innerhalb der Szene. Queere Femmes müssen ihre Queerness anders unter Beweis stellen, werden häufig nicht als Lesben, Dykes, Queer wahrgenommen.
Auch wir müssen unsere Ideen von Queerness und ihrer Performance immer wieder hinterfragen. War das wirklich unser gaydar, oder haben mal wieder die Klischees gekickt? Sind wir einfach davon ausgegangen, dass eine Person straight ist, weil wir die Beziehungsperson als männlich lesen? Sind wir uns selber unsicher, ob wir uns so oder so anziehen, weil was, wenn ich dann gefragt werde, warum ich zur lesbischen Veranstaltung komme? Auf welche Art von Performances haben wir Lust, und welche laden wir uns gegenseitig auf?

Lasst uns gemeinsam nicht nur die cisheten irritieren, sonder manchmal auch uns gegenseitig. Wir lieben unsere Soft und hard Butches, Femmes, Kampflesben, Lipstick, Chapstick und Tomboy Lesben und Queers und noch so viele mehr… aber lasst uns auch immer weiter offen sein für alle, die aus diesen Kategorien rausfallen.

Stay queer, stay soft, stay radical!