Weil es von mehreren Seiten die Nachfrage gab, ob die Beiträge zum TDoV (Trans Day of Visibility) veröffentlicht werden könnten, haben wir entscheiden, unseren Blog dafür zu nutzen.
In der nächsten Zeit folgen alle Beiträge der Autor*innen, die Lust hatten sie schriftlich zu veröffentlichen.
Wir starten mit unserem zur Notwendigkeit feministischer Verbündetenschaft:
Ich hab ja versucht was möglichst positives zu schreiben für diesen Anlass, wegen Frühling und so.
Jetzt lassen Gefühle sich so schlecht planen, und es ist mir glaube ich nicht besonders gut gelungen, die Kritik wegzulassen. Falls euch die nächsten Minuten polemisch vorkommen ist das okay, vermutlich sind sie das auch.
Als ich vor ein paar Tagen auf social media – und es soll jetzt nur kurz darum gehen, denn über Russlands Menschenfeindlichkeit können andere Leute grade besser sprechen als ich – gesehen habe, dass Putin grade J.K. Rowling, die Autorin der Harry-Potter Reihe und bekannte Transfeindin öffentlich verteidigt hat, dachte ich ehrlich gesagt, ich hätte schlecht geträumt. Aber nein: Instagram am nächsten Morgen war klar eindeutig: Das war kein schlechter Traum, das war echt.
Und es ergibt ja auch Sinn. Der Schutz der traditionellen Familie, auch über Russlands Grenzen hinaus, ist einer der zentralen ideologischen Punkte von Russlands Regime. Das bedeutet: Transfeindlichkeit, Homofeindlichkeit, generell Queerfeindlichkeit. Ich denke, das ist für die Leute, die hier stehen, nichts neues.
GegenGrau, also die Gruppe für die ich heute spreche, versteht sich als queerfeministische Gruppe. Das heißt, ganz allgemein gefasst, dass wir Geschlecht, und wie es gesellschaftlich geformt wird, als eine Unterdrückungskategorie begreifen. Wir setzen uns dafür ein, dass Geschlecht selbstbestimmt sein darf, dass wir mit unseren Körpern das machen können, womit es uns gut geht, und dass keine Person aufgrund ihres Geschlechts, ihres Geschlechtsausdrucks oder ihrer Rolle unterdrückt wird, oder Gewalt und Ausschluss erfährt. In diesem Streben nach einer freieren Gesellschaft sind wir auf Verbündete angewiesen.
Wir, als trans Personen, als Menschen, die die körperlichen Zuweisungen dieser Gesellschaft direkt und persönlich erleben, sind für unsere Befreiung auf Verbündete angewiesen.
Und viele derjenigen, die eigentlich unsere Verbündeten sein sollten, sagen das gleiche – wenn auch manchmal in andere politische Phrasen verpackt – wie die Frau, die grade von Putin verteidigt wurde.
Und ich verstehe es nicht.
Es muss doch offensichtlich sein, dass es bei den transfeindlichen Angriffen der letzten Jahre und Jahrzehnte nie nur um uns ging. Natürlich ging es auch um uns: Transfeindlichkeit ist real, und scheiße, und sie erfüllt in dieser Gesellschaft bestimmte Funktionen, und sie wird nicht verschwinden, solange Geschlecht eine Kategorie ist, mit der in dieser Gesellschaft Arbeit, Abhängigkeiten und Ausschlüsse organisiert werden.
Aber wir sind, immer, und grade auch in Ländern wie Deutschland, die ja so wunderbar progressiv sind, die Stelle, an der Menschen, die sich traditionelle Geschlechterverhältnisse zurückwünschen, am einfachsten angreifen können. Traditionelle Geschlechterverhältnisse, und all die Gewalt, die damit einhergeht.
In Russland scheitert seit Jahren der Versuch, ein Gesetz gegen häusliche Gewalt durchzusetzen. Die Argumente dagegen klingen so: Die Schwulen und die Lesben wollen damit ihre Agenda pushen, und die heilige Familie zerstören.
Väter- und Männerrechtsaktivisten sehen in der Gender-Ideologie den Feind den es zu zerstören gilt, denn: Sie nimmt ihnen ihre Rechte und verweiblicht die Gesellschaft.
Im Rechtspopulismus geht die Angst vor Geschlechtsverbrecher*innen mit der Erzählung des großen Austauschs einher. Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft wird biologistisch argumentiert, und diese biologischen Zugehörigkeiten müssen erhalten werden.
Es wird ein natürliches Volk angerufen, der kleine Mann, der es verteidigen muss. Die Auflösung der traditionellen Geschlechterverhältnisse, die sich endlich, ganz langsam zeigt, wird mit Klauen und Zähnen bekämpft.
Und, wir wissen es: Wir sind diejenigen, denen man es am ehesten „ansieht“. Die immer noch so sehr das andere sind, dass es gar nicht so auffällt, wenn wir nicht die gleichen Rechte, nicht die gleiche Aussicht auf Glück haben, wie andere. Weil wir eindeutige Geschlechtsverbrechen begehen, und dafür bestraft werden müssen.
Und: Weil die Leute, die mit uns zusammen angegriffen werden, sich lieber vor den Fluten retten, anstatt uns eine Hand zu reichen, in der Hoffnung, dass das Wasser schon nicht weiter steigt, wenn wir erst überschwemmt ist.
Das ist natürlich Unsinn. Es wird gegen jede Errungenschaft gekämpft, die es in den letzten Jahrzehnten gab: Gegen Schwangerschaftsabbrüche und sexuelle Selbstbestimmung, gegen Scheidung, gegen die Rechte queerer Personen, gegen den Sozialstaat und gegen die Pluralisierung und Demokratisierung der Gesellschaft. Wir sind noch nicht mal am Ziel, in einer Gesellschaft, oder noch besser einer Welt, in der die zentrale Motivation ist, dass es allen Menschen möglichst gut gehen kann, und wir sind jetzt schon damit beschäftigt, das bisschen, was geschafft wurde, verteidigen zu müssen.
Je nach Lage und Land greift die globale Anti-Gender Bewegung dafür da an, wo es nach der gesellschaftlichen Stimmung am erfolgversprechendsten erscheint. Und Alice Schwarzer hält sich für eine Feministin.
Weil diese Themen alle so eng miteinander zusammenhängen, bleibt uns nichts anderes übrig, als breite Bündnisse zu schließen. Wir müssen solidarisch miteinander sein, und miteinander füreinander kämpfen.
Aber das heißt nicht, dass wir uns brav Frauen nennen, je nachdem wie es Leuten passt mit Sternchen. Das wir uns klein machen, damit wir nicht so stören, und auch ein bisschen unsere Themen einbringen dürfen. Sondern das heißt, dass wir als Genoss*innen im Kampf um geschlechtliche Freiheit gesehen werden müssen. Es heißt, dass anerkannt werden muss, dass unsere Themen wichtig sind, dass wir angegriffen werden, weil unser Glück der Punkt ist, an dem das Brecheisen der konservativen Kräfte der Welt am einfachsten ansetzen kann.
Es gibt keine Leiter, die irgendjemand hinter sich hochziehen kann. Der Feind hat ein Katapult, und wir können ihn nur aufhalten, wenn wir Mauern abbauen, uns solidarisch einander öffnen, und es damit unbrauchbar machen.
Am Ende noch was Schönes: Ich kenne sehr viele Feminist*innen und andere Menschen, die für eine Welt arbeiten, in der alle Menschen leben können und glücklich sein dürfen. Und sie sind diejenigen, die am Ende den längeren Atem
haben. Weil wir stabile, sorgende Beziehungen miteinander knüpfen, in denen wir uns auf gleicher Augenhöhe begegnen. Weil das Ziel nur erreicht werden kann, wenn wir den Weg dahin so gestalten, dass ihn alle gehen können. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir mehr Begleiter*innen haben als es Hürden geben kann. Auch, wenn es sich oft noch nicht so anfühlt.
Dankeschön.