Wir sind keine Frauen. Wir sind keine Sternchen. Trotzdem ist heute auch unser Kampftag.
Hier sind viele unterschiedliche Menschen, die von unterschiedlichen Unterdrückungsformen betroffen sind und die sich dagegen wehren. Aber unser Kampf ist ein gemeinsamer. Denn die Ursache ist dieselbe. Die Krise steckt im System: Das Problem heißt Kapitalismus. Kapitalismus, der unsere gesamte Gesellschaft formt, unser Zusammenleben überschattet und alle Bereiche unseres Seins durchdringt.
Warum sprechen wir heute über Kapitalismus? Wenn doch Weltfrauentag ist.
Und was ist eine Frau überhaupt?
Frau kann vieles sein. Frau kann eine Selbstbezeichnung sein. Frau kann widerständig sein.
Aber der Kapitalismus macht Frau zu einer Unterdrückungskategorie, innerhalb derer Menschen abgewertet werden, damit ihre Arbeit nichts mehr wert ist. Auf Basis dieser Abwertung scheint es dieser Gesellschaft selbstverständlich, dass sie schlecht oder gar nicht bezahlte Sorgearbeit leisten: Unsere Kinder großziehen, unsere Alten pflegen und unsere Häuser putzen. Ein großer Aspekt dieser Reproduktionsarbeit ist, unseren Körpern die Zuwendung zu geben, die sie brauchen, um arbeitsfähig zu bleiben. Ohne diese Sorgearbeit funktioniert Kapitalismus nicht, genauso wie er ohne rassistische Ausbeutung oder die Ausbeutung und Abwertung be_hinderter und armer Menschen nicht funktioniert.
Dafür ist das Cis-tem auf die Einteilung in Mann und Frau angewiesen, und auf die strikte Zuschreibung von Rollen und Verhaltensweisen. Unsere Körper werden in diese binären Kategorien gesteckt, um sie spezifisch ausbeutbar zu machen und um die Arbeitskraft sowie ihre Reproduktion zu sichern. Menschen, die da rausfallen – keine Kinder kriegen, nicht hetero sind, sich nicht an das Geschlecht halten, was ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, nicht in den Kategorien von Mann und Frau zu finden sind – stellen diese Aufteilung in Frage – sie gefährden damit das System. Und dafür werden sie bestraft. Dadurch, dass sie aus ihren Herkunftsfamilien ausgeschlossen werden, dass sie keine Arbeit und keine Wohnungen bekommen, dass ihnen Gesundheitsleistungen verwehrt werden und dass ihnen körperliche und psychische Gewalt zugefügt wird. Uns wird die Selbstbestimmung über unsere Körper, unsere Namen, unser Begehren versagt.
Der Zwang zur Reproduktion wird auf die Spitze getrieben dadurch, dass Frauen auf ihre Gebärfähigkeit reduziert werden. Frauen haben gefälligst zu gebären, Leute die einen Uterus haben, haben gefälligst Frauen zu sein, Leute die keinen Uterus haben, können keine Frauen sein, und Frauen, die einen Uterus haben, aber nicht gebären können, sollen darüber schweigen und sich dessen schämen.
Diese krasse gesellschaftliche Fixierung auf unsere Körper schlägt sich nicht nur im Zwang, Kinder zu bekommen nieder. Das ganze hat sich verselbstständigt. Sie zeigt sich darin, wie unsere Körper auszusehen haben, welche Verhaltensweisen an unsere Körper geknüpft sind und wer über unsere Körper verfügen kann. Es fängt damit an, dass uns bei unserer Geburt eine Kategorie zugeschrieben wird, auf deren Basis dann die Umstände unseres Lebens vorgeformt sind. Sie bestimmt, welche Rolle in der Gesellschaft wir einnehmen sollen, wen wir begehren dürfen, womit wir spielen sollen, was wir zu tun haben, was wir anziehen, wie wir alt werden und wie wir sterben.
Wir sollen für andere sorgen, für andere arbeiten, uns wird erzählt dass das in unserer Natur liegt. Unsere reproduktive Arbeit, die nichts wert ist, sie ist selbstverständlich.
Und vor allem ist sie notwendig für den Erhalt der Menschen um uns herum, und für den Erhalt der kapitalistischen Gesellschaft. Deshalb braucht es die Festschreibung von Menschen auf Kategorien wie „Frau“. Damit diese Menschen die ihnen aufgetragene Arbeit erledigen, ohne Lohn, und ohne, dass sie die Gesellschaft, die sie damit erhalten, verändern dürfen.
Von all dem müssen wir uns befreien, wenn wir die befreite Gesellschaft wollen. Und dabei ist es egal, ob wir Frauen sind, inter Personen, trans Personen und/oder queer. Die Fremdbestimmung über unsere Körper und unsere Leben schadet uns allen, es nimmt nur unterschiedliche Formen an.
Den Kampf gegen patriarchale Unterdrückung müssen wir gemeinsam führen. Der Kampf gegen patriarchale Unterdrückung eint uns.
Und wenn wir nicht unsere eigenen Privilegien hinterfragen und uns mit den Menschen solidarisieren, von deren Unterdrückung wir profitieren, können wir ihn gleich lassen.
Wir wollen nicht bessere Chancen auf Führungspositionen haben, in denen auch wir Menschen ausbeuten können. Wir wollen, dass es keine Ausbeutung mehr gibt.
Wir wollen keinen Aufstieg auf dem Rücken von anderen, wir wollen einen solidarischen Feminismus.
Wir wollen keine Lippenbekenntnisse für mehr Vielfalt, wir wollen, dass Menschen frei von Unterdrückungskategorien sein können.
Wir wollen keine paternalistischen Zugeständnisse vom Staat, wir wollen uns befreien.
Wir wollen keine vereinzelten Kämpfe, wir wollen die gemeinsame Revolution. Mit allen, die heute hier sind, und allen, die auf der ganzen Welt an diesem Tag zusammenkommen. Mit allen, die jeden Tag diese Kämpfe führen. Mit allen, die das nicht können, und allen, die noch zu uns stoßen werden.
Die Revolution wird feministisch, queer und emanzipatorisch oder es wird sie nicht geben.